Hämostatikum mit antifibrinolytischer Wirkung ZusammensetzungInjektionslösung
Wirkstoff: Acidum tranexamicum 500 mg, aqua q.s. ad solutionem pro 5 ml.
Tabletten
Wirkstoff: Acidum tranexamicum 500 mg.
Eigenschaften/WirkungenAnvitoff ist ein antifibrinolytisch wirkendes Hämostatikum; die blutstillende Wirkung der Tranexamsäure (= AMCHA) kommt durch Hemmung der Plasminogenaktivierung und durch einen fibrinprotektiven Effekt bei pathologisch gesteigerter plasmininduzierter Fibrinolyse zustande.
Lokale Fibrinolyse: Eine lokal erhöhte fibrinolytische Aktivität verstärkt Blutungen, die beispielsweise nach Einlage eines Intrauterinpessars auftreten können. Sie ist die Hauptursache der Hypermenorrhoe.
Sie kann auch eine zusätzliche Komplikation sein bei der Behandlung von Blutungen des oberen Gastrointestinaltraktes, bei ulzeröser Kolitis, bei subarachnoidaler Hämorrhagie; nach Tonsillektomie, bei Hämaturie, bei allen Arten von Operationen der Harnwege, insbesondere Prostatektomien sowie bei Konisationen.
Ausserdem wird eine erhöhte lokale fibrinolytische Aktivität bei Zahnextraktionen an Patienten mit Hämophilie A, Hämophilie B und M. Willebrand beobachtet.
Generalisierte Fibrinolyse kann auftreten bei viszeralen Malignomen, nach Thoraxchirurgie und anderen grossen chirurgischen Eingriffen, bei geburtshilflichen Komplikationen wie Ablatio placentae und postpartalen Hämorrhagien, bei Leukämie, bei Leberkrankheiten und bei thrombolytischer Therapie mit Streptokinase oder Gewebe-Plasminogen-Aktivator (TPA) sowie bei Verbrauchskoagulopathie.
Anvitoff entfaltet auf molarer Basis eine mehrfach höhere Aktivität als Antifibrinolytika vom Typ der ε-Aminokapronsäure und erlaubt dadurch eine niedrigere Dosierung.
Dieses Medikament reduziert Blutverluste, die auf einer generalisierten oder lokal erhöhten fibrinolytischen Aktivität beruhen.
Es zeigt bei Hypermenorrhoe und sonstigen gynäkologischen/geburtshilflichen Blutungsanomalien gute Resultate.
Ferner können postoperative Hämorrhagien, besonders nach Prostatektomie und Tonsillektomie, beträchtlich vermindert werden.
Das Präparat schützt die bei rupturierten Gefässen physiologischerweise sich bildenden Verschlüsse vor einer Wiederauflösung und verhindert somit Rezidivblutungen, die z.B. bei intrakranieller Aneurysmaruptur zum Tode führen können.
Dieses Präparat kann dann i.v. gegeben werden, wenn z.B. zur Behandlung von Aneurysmarupturen eine hohe Konzentration auch im Liquor erforderlich oder die orale Verabreichung kontraindiziert ist.
PharmakokinetikAbsorption und Distribution
Der wirksame Tranexamsäure-Wirkspiegel von 5-10 µg/ml Plasma wird nach einmaliger peroraler Applikation von 500-1500 mg Anvitoff innerhalb von 30-60 Min. erreicht und bleibt während 4-6 Std. erhalten. Die Substanz wird protrahiert resorbiert und wahrscheinlich partiell im Darm inaktiviert. Sie besitzt eine enterale Resorptionsquote und Bioverfügbarkeit von knapp 40%.
Die Nahrungsaufnahme hat keinen Einfluss auf die Absorption von Tranexamsäure.
Die Verteilung von Anvitoff gehorcht einem Zwei-Kompartiment-Modell (intravasal und interstitiell) und findet fast ausschliesslich extrazellulär statt.
Das initiale Verteilungsvolumen beträgt ca. 9 l.
Die Plasmaeiweissbindung beträgt rund 3% und scheint vollumfänglich durch die Bindung von Tranexamsäure an Plasminogen bedingt zu sein.
Tranexamsäure passiert die Blut-Hirn-Schranke, diffundiert in die Gelenkflüssigkeit, die Synovialmembran und die Samenflüssigkeit.
Tranexamsäure ist plazentagängig und diffundiert in die Muttermilch.
Metabolismus und Elimination
Eine Metabolisierung findet praktisch nicht statt, der Wirkstoff wird durch glomeruläre Filtration unverändert renal ausgeschieden und garantiert damit auch im Harntrakt eine blutstillende Wirkung bei einer durch Urokinase und lokale Gewebsaktivatoren induzierten Hyperfibrinolyse.
Die biologische (Dispositions-) Halbwertszeit (β-Phase) beträgt 1,9-2,7 Std.
Kinetik in besonderen klinischen Situationen
Da Anvitoff vorwiegend über die Nieren ausgeschieden wird, ist bei eingeschränkter Nierenfunktion mit einer Kumulation zu rechnen. Spezielle Dosierung bei Niereninsuffizienz siehe unter «Spezielle Dosierungsanweisungen».
Indikationen/AnwendungsmöglichkeitenBlutungen bzw. Blutungsgefahr im Gefolge einer primären lokalen oder generalisierten Hyperfibrinolyse, wie sie besonders nach Traumatisierung bzw. Umbau aktivatorreicher Gewebe oder unter endokrinen Einflüssen auftritt.
Gynäkologie: Essentielle Menorrhagien, Blutungen bei Intrauterinpessar-Trägerinnen, Blutungen nach Eingriffen am Uterus und bei Scheidenplastiken.
ORL und Zahnheilkunde: Lokale Blutungen bzw. Nachblutungen bei operativen Eingriffen wie Tonsillektomien; Epistaxis; Zahnextraktion (vor allem bei hämophilen Patienten).
Urologie: Blutungen während und nach Operationen am Urogenitaltrakt, insbes. bei Prostatektomien, Begleithämaturien infolge Prostatahypertrophie, beim Prostatakarzinom und bei hämorrhagischer Zystitis - z.B. nach Röntgenbestrahlung.
Chirurgie: Parenchymatöse Blutungen bei thoraxchirurgischen Eingriffen; hyperfibrinolytische Blutungen bei Magenoperationen.
Neurochirurgie: Zum Schutz vor Rezidivblutungen nach intrakranieller Aneurysma-Ruptur.
Innere Medizin: Als zusätzliche therapeutische Massnahme bei erosiven Blutungen im Bereich des Magens und Duodenums, Blutungen bei Leberzirrhose und Karzinomen, Hämoptoe bei destruktiven Lungenprozessen, Blutungskomplikationen bei Hämophilien; Dauerprophylaxe beim hereditären angioneurotischen Ödem.
Das Präparat wirkt zudem als Antidot bei überschiessender, therapeutisch induzierter Fibrinolyse mit Streptokinase, Urokinase oder Gewebe-Plasminogen-Aktivator (TPA).
Dosierung/AnwendungAnvitoff wird oral, parenteral oder lokal verabreicht. Die intravenöse Verabreichung ist jedoch nur indiziert, wenn die orale Verabreichung schwierig oder nicht durchführbar ist.
Übliche Dosierung
Ampullen
Bei akuten schweren Blutungen, bedingt durch eine primäre Hyperfibrinolyse, und zur operativen Prämedikation i.m. oder langsam i.v. bzw. Dauertropfinfusion.
Erwachsene erhalten im allgemeinen 1-3× täglich 1 Ampulle i.m. oder langsam i.v. (1 ml/Min.) injiziert. Bei Operationen werden je nach Art und Dauer des Eingriffes 1-5 Ampullen parenteral - vorzugsweise in Dauertropfinfusion - verabreicht. Hierbei kann das Präparat mit allen gebräuchlichen Infusionslösungen gemischt werden.
Kinder erhalten im allgemeinen eine parenterale Dosis von 10 mg/kg KG.
Lokale Anwendung: Dieses Medikament kann auch lokal mittels Tamponaden angewendet werden. Die Tupfer werden dazu mit Anvitoff-Injektionslösung getränkt. Der Inhalt der Ampullen kann auch Spüllösungen zugesetzt werden (1000-2000 mg/l).
Tabletten
Zur oralen Prämedikation vor Eingriffen, während oder nach denen mit hyperfibrinolytischen Blutungen zu rechnen ist; zur Verhinderung von Rezidivblutungen; zur Behandlung von essentiellen Hypermenorrhoen, Schmierblutungen und Hämorrhagien; Epistaxis; zur Prophylaxe und Therapie von Blutungskomplikationen in der Inneren Medizin, Urologie, ORL und Zahnheilkunde.
Erwachsene erhalten je nach klinischem Bild im allgemeinen 3-4× täglich 1-2 Tabletten.
Kinder erhalten Anvitoff 3-4× täglich in einer Dosierung von 10-20 mg/kg KG.
Die Dauer der Behandlung erstreckt sich im allgemeinen über 3-5 Tage. Nur beim hereditären angioneurotischen Ödem ist eine Dauerbehandlung erforderlich. Protrahierte Gaben finden bei Hämophilie Anwendung. Nach Aneurysma-Rupturen erstreckt sich eine konservative Therapie mit Anvitoff bis zum Zeitpunkt der Operation.
Standarddosen bei spezifischen Indikationen
Epistaxis aufgrund einer Hyperfibrinolyse: Lokale Therapie mit Nasentamponaden, getränkt mit Injektionslösung. Bei anhaltenden oder rezidivierenden Blutungen anschliessend 3× tgl. 1-2 Tabletten.
Hypermenorrhoe und IUP-Blutungen: Sofort nach Beginn der Blutung. 1. Tag: 4×1-2 Tabl.; 2. Tag: 3×1-2 Tabl.; 3. Tag: 2×1-2 Tabl.: 4. Tag: 1-2 Tabl., oder individuell 2-3×1 Tabl. täglich bis zur Sistierung bzw. Normalisierung der Blutung.
Konisation: 3×tgl. 1-2 Tabl., postoperativ während der ersten 1-2 Wochen.
Prostatektomie: 2-3×tgl. 1-2 Ampullen i.v. (die erste Dosis intraoperativ) während 3 Tagen, dann Übergang zu oraler Medikation 2-3×tgl. 1-2 Tabl. solange, bis keine makroskopische Hämaturie mehr vorliegt.
Tonsillektomie: Gleiche Dosis wie nach Prostatektomie, bis zur Sistierung der Nachblutung.
Blutungen im Magen-Darm-Trakt: Orale oder parenterale Applikation von 1000 mg 3×tgl. während 1 Woche.
Subarachnoidale Blutungen: Bis zur Operation tgl. 6 Amp. i.v., evtl. zur Prophylaxe von Vasospasmen kombiniert mit einem Ca-Antagonisten.
Hereditäres angioneurotisches Ödem: 3×tgl. 2 Tabl. intermittierend bei ersten Anzeichen eines Anfalls oder als Dauerbehandlung.
Spezielle Dosierungsanweisungen
Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Dosierung für eine mehrtägige Behandlung dem Grad der bestehenden Niereninsuffizienz anzupassen.
Die i.v.-Dosierung in Abhängigkeit der Kreatininwerte bzw. -clearance kann der experimentell ermittelten Tabelle entnommen werden.
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Plasma- Kreatinin- Anvitoff-Dosierung
Kreatinin clearance (i.v.)
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120-250 µmol/l 75-30 ml/Min. 10 mg/kg/12 h
(1,35-2,8 mg%)
250-500 µmol/l 30-15 ml/Min. 10 mg/kg/24 h
(2,8-5,7 mg%)
> 500 µmol/l < 15 ml/Min. 10 mg/kg/48 h
(> 5,7 mg%)
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Für p.o. Dosen gelten analoge - evtl. etwas weiter gefasste - Werte.
AnwendungseinschränkungenKontraindikationen
Manifeste Hyperkoagulabilität, da hierbei bereits gebildete Thromben durch eine medikamentös gehemmte Fibrinolyse in unerwünschter Weise stabilisiert werden können.
Ablaufende Verbrauchskoagulopathie (Defibrinierungssyndrom); Sicherung der Diagnose durch Gerinnungstests.
Soll allenfalls eine reaktive sekundäre Hyperfibrinolyse gehemmt werden, so muss vor der Gabe des Präparates der Verbrauchskoagulopathie durch Abstoppen der intravasalen Gerinnung mit Heparin und durch Ersatz des im Überschuss verbrauchten Fibrinogens entgegengewirkt werden.
Bei Patienten mit erworbener Störung des Farbensehens ist Anvitoff kontraindiziert.
Vorsichtsmassnahmen
Auf Grund von tierexperimentellen Befunden wird empfohlen, im Verlaufe einer Langzeittherapie eine Kontrolle des Visus, des Farbensinns sowie von Fundus und Gesichtsfeld vorzunehmen. Treten unter der Behandlung diesbezüglich Störungen auf, ist Anvitoff sofort abzusetzen.
Bei Patienten mit ausgesprochener Thrombose- bzw. Embolieneigung sollte dieses Medikament nur unter gleichzeitiger Antikoagulantien-Behandlung verordnet werden.
Bei betagten Patienten sind keine besonderen Vorsichtsmassnahmen erforderlich, solange kein Hinweis auf eine eingeschränkte Nierenfunktion vorliegt.
Bei schwerer Niereninsuffizienz muss die Dosierung nach Massgabe der Kreatinin-Clearance bzw. des Plasmakreatinins reduziert werden (vgl. «Spezielle Dosierungsanweisungen»).
Bei schweren Blutungen aus den oberen Harnwegen ist dieses Präparat vorsichtig und niedrig dosiert einzusetzen, da die Gefahr einer Gerinnselretention mit nachfolgender Obstruktion der ableitenden Harnwege besteht.
Schwangerschaft, Stillzeit
Schwangerschafts-Kategorie B. Reproduktionsstudien bei Tieren haben keine Risiken für die Föten gezeigt, aber man verfügt über keine kontrollierten Studien bei schwangeren Frauen.
Anvitoff sollte insbesondere in der Frühschwangerschaft nur bei strenger Indikationsstellung verabreicht werden.
In der Stillzeit sollte Anvitoff ebenfalls nur nach strenger Indikationsstellung verordnet werden, da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht.
Unerwünschte WirkungenGelegentlich kann es zu Nausea, Erbrechen, Durchfall oder Sehstörungen (z.B. Visusverlust, Störung des Farbensehens) und ganz vereinzelt zu Blutdruckabfall und Schwindel kommen. Diese Beschwerden, die bei i.v. Verabreichung mit zunehmender Infusionsgeschwindigkeit zunehmen, klingen im allgemeinen bei Reduktion der Dosis bzw. bei Herabsetzung der Infusionsgeschwindigkeit wieder ab. Einzelne Fälle anaphylaktischer/anaphylaktoider Reaktionen wurden beschrieben. Bei Auftreten von Sehstörungen (z.B. Visusverlust, Störung des Farbsinnes) ist Anvitoff abzusetzen und eine Kontrolle durch einen Augenarzt ist angezeigt (siehe «Vorsichtsmassnahmen»).
InteraktionenPharmakologische Wechselwirkungen ergeben sich natürlicherweise aus der Kombination mit Fibrinolytika. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Heparin, Cumarinderivaten, Salicylaten oder Thrombozytenaggregationshemmern kann die Wirkung von Anvitoff (wie auch von anderen Antifibrinolytika) abgeschwächt werden.
ÜberdosierungAkute Vergiftungserscheinungen nach Überdosen von Anvitoff wurden bisher nicht bekannt, doch kann es zu Kopfschmerzen, Schwindel, Nausea, Erbrechen, Durchfall oder Blutdruckabfall kommen. Wenn die Beschwerden nach Dosisreduktion bzw. Herabsetzung der Injektionsgeschwindigkeit nicht abklingen, ist, je nach Symptomatologie, die Gabe eines Antiemetikums, Antidiarrhoikums oder eines Antihypotonikums zu erwägen.
Sonstige HinweiseDie Anvitoff-Injektionslösung darf nicht mit penicillinhaltigen Injektionslösungen oder Blutkonserven vermischt werden.
Beeinflussung diagnostischer Methoden: Die Prothrombinzeit (Quick-Test) erfährt unter Anvitoff im allgemeinen keine nennenswerte Veränderung.
Haltbarkeit: Packung nach Gebrauch stets gut verschliessen, unter 25 °C lagern und nur bis zu dem auf der Packung mit «EXP» bezeichneten Datum verwenden.
Stand der InformationMai 1997.
RL88
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