Eigenschaften/WirkungenATC-Code
J05AX31
Wirkungsmechanismus
Lenacapavir ist ein mehrstufiger, selektiver Inhibitor der HIV-1-Capsidfunktion, der direkt an die Schnittstelle zwischen den Untereinheiten des Capsidproteins (CA) bindet. Lenacapavir hemmt die HIV-1-Replikation, indem es in mehrere wesentliche Schritte des viralen Lebenszyklus eingreift, darunter die durch das Capsid vermittelte Aufnahme proviraler HIV-1-DNA in den Kern (durch Blockierung der Bindung von Kernimportproteinen an das Capsid), den Virusaufbau und die Virusfreisetzung (durch Beeinträchtigung der Gag/Gag-Pol-Funktion und Verringerung der Produktion von CA-Untereinheiten) sowie die Bildung des Capsidkerns (durch Störung der Assoziationsgeschwindigkeit der Capsid-Untereinheiten, was zu missgebildeten Capsiden führt).
Die Wirkung von Lenacapavir ist spezifisch auf das humane Immundefizienzvirus (HIV-1) ausgerichtet.
Pharmakodynamik
Antivirale Aktivität und Selektivität in vitro
Die antivirale Aktivität von Lenacapavir gegen Labor- und klinische Isolate von HIV-1 wurde in Lymphoblastenzelllinien, PBMCs, primären Monozyten/Makrophagen und CD4+-T-Lymphozyten untersucht. Die EC50- und Selektivitätswerte (CC50/EC50) lagen zwischen 30 und 190 pM bzw. 140'000 und > 1'670'000 für das Wildtyp (WT)-HIV-1-Virus. Der proteinangepasste EC95-Wert für Lenacapavir betrug 4 nM (3,87 ng pro ml) in der MT-4 T-Zelllinie für Wildtyp-HIV-1-Viren.
In einer Studie mit Lenacapavir in Kombination mit Vertretern der wichtigsten Klassen antiretroviraler Wirkstoffe (nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren [NRTI], nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren [NNRTI], Integrase-Strang-Transfer-Inhibitoren [INSTI] und Protease-Inhibitoren [PI]) wurden synergistische antivirale Effekte beobachtet. Bei diesen Kombinationen wurde kein Antagonismus beobachtet.
Lenacapavir zeigte in Zellkulturen antivirale Aktivität gegen alle HIV-1-Gruppen (M, N, O), einschliesslich der Subtypen A, A1, AE, AG, B, BF, C, D, E, F, G, H.
Lenacapavir war 15- bis 25-mal weniger aktiv gegen HIV-2-Isolate als gegen HIV-1.
Resistenz
In Zellkultur
HIV-1-Varianten mit reduzierter Empfindlichkeit gegenüber Lenacapavir wurden in Zellkultur selektiert. Bei der In-vitro-Resistenzselektion mit Lenacapavir wurden 7 Mutationen im CA festgestellt: L56I, M66I, Q67H, K70N, N74D/S und T107N einzeln oder als Doppelkombination. Die phänotypische Empfindlichkeit gegenüber Lenacapavir war im Vergleich zum WT-Virus um das 4- bis > 3226-Fache reduziert. HIV-1-Varianten mit einer > 10-fach geringeren Empfindlichkeit gegenüber Lenacapavir im Vergleich zum WT-Virus zeigten eine eingeschränkte Replikationskapazität in primären humanen CD4+-T-Lymphozyten und Makrophagen (0,03–28% bzw. 1,9–72% des WT-Virus).
Bei stark vorbehandelten Patienten
In der Studie GS-US-200-4625 («CAPELLA») erfüllten 29% (21/72) der stark vorbehandelten Patienten die Kriterien für Resistenzanalysen bis Woche 52 (HIV-1-RNA ≥50 Kopien/ml bei bestätigtem virologischem Versagen [suboptimales virologisches Ansprechen in Woche 4, virologischer Wiederanstieg oder Virämie beim letzten Termin]) und wurden auf das Auftreten von Lenacapavir-assoziierten Mutationen hin untersucht. Lenacapavir-assoziierte Capsid-Mutationen wurden bei 11,1% (n = 8) dieser Patienten gefunden. Die CA-Mutation M66I wurde bei 8,3% (n = 6) der Patienten nachgewiesen, entweder allein oder in Kombination mit anderen Sunlenca-assoziierten Capsid-Mutationen wie N74D, Q67Q/H/K/N, K70K/N/R/S, T107T/C und T107A. Bei einem Patienten trat eine K70H-CA-Mutation zusammen mit T107T/N auf, und bei einem Patienten traten sowohl Q67H als auch K70R im CA auf.
Phänotypische Analysen ergaben, dass die M66I- und K70H-Mutationen im Vergleich zum WT mit einer durchschnittlich 234-fachen bzw. 265-fachen Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber Lenacapavir einhergingen. Das CA-Resistenzmuster Q67H + K70R war mit einer 15-fach geringeren Empfindlichkeit gegenüber Lenacapavir assoziiert.
Kreuzresistenz
Die antivirale In-vitro-Aktivität von Lenacapavir wurde gegen ein umfassendes Spektrum von zielgerichteten HIV-1-Mutanten und patienteneigenen HIV-1-Isolaten mit Resistenz gegen die vier Hauptklassen antiretroviraler Wirkstoffe (NRTI, NNRTI, INSTI und PI; n = 58) ermittelt, sowie gegenüber Viren, die gegen Maturationsinhibitoren resistent sind (n = 24), und gegenüber Viren, die gegen die Klasse der Entry-Inhibitoren (EI) (Fostemsavir, Ibalizumab, Maraviroc und Enfuvirtid; n = 42) resistent sind. Diese Daten deuten darauf hin, dass Lenacapavir gegen alle getesteten Varianten voll wirksam bleibt und somit ein nicht überlappendes Resistenzprofil aufweist. Darüber hinaus wurde die antivirale Aktivität von Lenacapavir in Patientenisolaten nicht durch das Vorhandensein natürlich vorkommender Gag-Polymorphismen beeinflusst.
Auswirkungen auf das Elektrokardiogramm
In einer t/QT-Parallelgruppenstudie zeigte Lenacapavir keine klinisch relevanten Auswirkungen auf das QTcF-Intervall. Bei supratherapeutischen Dosen von Lenacapavir (9-mal höher als die therapeutischen Dosen von Sunlenca) betrug der vorhergesagte mittlere Anstieg (oberes 90%-Konfidenzintervall) des QTcF-Intervalls 2,6 (4,8) ms, und es gab keinen Zusammenhang (p = 0,36) zwischen den gemessenen Lenacapavir-Plasmakonzentrationen und der Veränderung des QTcF Intervalls.
Klinische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Sunlenca bei HIV-1-infizierten, stark vorbehandelten, multiresistenten Patienten basiert auf den Daten von 52 Wochen der teilrandomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Studie GS-US-200-4625 («CAPELLA»).
CAPELLA wurde an 72 stark vorbehandelten Patienten mit multiklassenresistentem HIV-1 durchgeführt. Die Patienten mussten eine Viruslast von ≥400 Kopien/ml, eine dokumentierte Resistenz gegen mindestens zwei antiretrovirale Medikamente aus jeder von mindestens 3 der 4 Klassen antiretroviraler Medikamente (NRTI, NNRTI, PI und INSTI) aufweisen, sowie bei Studienbeginn aufgrund von Resistenz, Unverträglichkeit, Verfügbarkeit des Medikaments, Kontraindikation oder anderen Sicherheitsbedenken ≤2 voll wirksame antiretrovirale Medikamente aus den 4 Klassen antiretroviraler Medikamente übrighaben.
Die Studie bestand aus zwei Kohorten. Die Patienten wurden in die randomisierte Kohorte (Kohorte 1) aufgenommen, wenn sie einen Rückgang der HIV-1-RNA um < 0,5 log10 im Vergleich zum Screening-Termin aufwiesen. Die Patienten wurden in die nicht randomisierte Kohorte (Kohorte 2) aufgenommen, wenn sie einen Rückgang der HIV-1-RNA um ≥0,5 log10 im Vergleich zum Screening-Termin aufwiesen oder nachdem Kohorte 1 ihren geplanten Stichprobenumfang erreicht hatte. Die Patienten erhielten 600 mg, 600 mg bzw. 300 mg Lenacapavir oral an Tag 1, Tag 2 bzw. Tag 8, und anschließend 927 mg subkutan an Tag 15 und danach alle 6 Monate 927 mg subkutan (siehe Abschnitt «Pharmakokinetik»).
Kohorte 1 (n = 36, randomisiert): Im 14-tägigen funktionellen Monotherapiezeitraum wurden die Patienten der Kohorte 1 im Verhältnis 2:1 verblindet randomisiert, um entweder Lenacapavir oder Placebo zu erhalten, wobei sie ihr versagendes Therapieschema fortsetzten. Dieser Zeitraum diente dazu, die virologische Aktivität von Sunlenca zu ermitteln. Nach der funktionellen Monotherapie setzten Patienten, die Sunlenca erhalten hatten, die Behandlung mit Sunlenca zusammen mit einer optimierten Hintergrundtherapie (OBR) fort; Patienten, die während dieses Zeitraums Placebo erhalten hatten, begannen die Behandlung mit Sunlenca zusammen mit einer OBR.
Die Patienten in Kohorte 1 waren im Durchschnitt 52 Jahre alt (Bereich: 24 bis 71), 72% waren männlich, 46% waren weiss, 46% waren schwarz und 9% waren asiatischer Herkunft. Neunundzwanzig Prozent der Patienten waren hispanischen/lateinamerikanischen Ursprungs. Der mediane HIV-1-RNA-Wert im Plasma zu Studienbeginn lag bei 4,5 log10 Kopien/ml (Bereich: 2,3 bis 5,4). Vier Prozent der Patienten, die Lenacapavir erhielten und 50% der Patienten, die Placebo erhielten, hatten zu Studienbeginn eine Viruslast von mehr als 100'000 Kopien/ml. Die mediane CD4+-Zellzahl zu Studienbeginn lag bei 127 Zellen/mm3 (Bereich: 6 bis 827). Bei 75% der Patienten betrug die Zahl der CD4+-Zellen weniger als 200 Zellen/mm3. Der prozentuale Anteil der Patienten in der randomisierten Kohorte mit bekannter Resistenz gegen mindestens zwei Wirkstoffe aus den Klassen der NRTI, NNRTI, PI und INSTI betrug 97%, 94%, 78% bzw. 75%. In Kohorte 1 hatten 53% der Patienten keinen voll wirksamen Wirkstoff, 31% hatten einen voll wirksamen Wirkstoff und 17% hatten zwei oder mehr voll wirksame Wirkstoffe in ihrem ursprünglichen versagenden Therapieschema.
Kohorte 2 (n = 36, nicht randomisiert): Die Patienten in Kohorte 2 begannen an Tag 1 mit Sunlenca und einer OBR.
Die Patienten in Kohorte 2 waren im Durchschnitt 48 Jahre alt (Bereich: 23 bis 78), 78% waren männlich, 36% waren weiss, 31% schwarz, 33% waren asiatischer Herkunft und 14% der Patienten waren hispanischen/lateinamerikanischen Ursprungs. Der mediane HIV-1-RNA-Wert im Plasma zu Studienbeginn lag bei 4,5 log10 Kopien/ml (Bereich: 1,3 bis 5,7). Neunzehn Prozent der Patienten hatten zu Studienbeginn eine Viruslast von mehr als 100'000 Kopien/ml. Die mediane CD4+-Zellzahl zu Studienbeginn lag bei 195 Zellen/mm3 (Bereich: 3 bis 1296). Bei 53% der Patienten betrug die Zahl der CD4+-Zellen weniger als 200 Zellen/mm3. Der prozentuale Anteil der Patienten in der nicht randomisierten Kohorte mit bekannter Resistenz gegen mindestens zwei Wirkstoffe aus den Klassen der NRTI, NNRTI, PI und INSTI betrug 100%, 100%, 83% bzw. 64%. In Kohorte 2 hatten 31% der Patienten keinen voll wirksamen Wirkstoff, 42% hatten einen voll wirksamen Wirkstoff und 28% hatten zwei oder mehr voll wirksame Wirkstoffe in ihrem ursprünglichen versagenden Therapieschema.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war der Anteil der Patienten in Kohorte 1, die am Ende der funktionellen Monotherapie eine Verringerung der HIV-1-RNA um ≥0,5 log10 Kopien/ml gegenüber dem Ausgangswert erreichten. Die Ergebnisse der primären Endpunktanalyse demonstrierten die Überlegenheit von Sunlenca gegenüber Placebo, wie in Tabelle 4 dargestellt.
TABELLE 4: Anteil der Patienten, die eine Verringerung der Viruslast um ≥0,5 log10 erreichten (Kohorte 1)
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Sunlenca (n = 24)
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Placebo (n = 12)
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Anteil der Patienten, die eine Verringerung der Viruslast um ≥0,5 log10 erreichten
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87,5%
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16,7%
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Behandlungsunterschied (95% KI); p-Wert
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70,8% (34,9% bis 90,0%); p < 0,0001
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Die Ergebnisse in den Wochen 26 und 52 sind in Tabelle 5 und Tabelle 6 dargestellt.
TABELLE 5: Virologische Ergebnisse (HIV-1-RNA < 50 Kopien/ml) in den Wochen 26a und 52b mit Sunlenca plus OBR in der CAPELLA-Studie (Kohorte 1)
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[Sunlenca] plus OBR (n = 36)
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Woche 26
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Woche 52
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HIV-1-RNA < 50 Kopien/ml
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81%
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83%
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HIV-1-RNA ≥50 Kopien/mlc
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19%
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14%
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Keine virologischen Daten im Woche-26- oder Woche-52-Zeitintervall
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0
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3%
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Studienmedikation aufgrund von UE oder Tod beendetd
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0
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0
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Studienmedikation aus anderen Gründene abgesetzt und zuletzt verfügbare Messung HIV-1-RNA < 50 Kopien/ml
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0
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3%
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Fehlende Daten während des Zeitintervalls, aber unter Anwendung der Studienmedikation
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0
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0
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a Das Woche-26-Zeitintervall war definiert als die Zeitspanne zwischen Tag 184 und Tag 232 (inklusive).
b Das Woche-52-Zeitintervall war definiert als die Zeitspanne zwischen Tag 324 und Tag 414 (inklusive).
c Einschliesslich Patienten mit ≥50 Kopien/ml im Woche-26- oder Woche-52-Zeitintervall; Patienten, die aufgrund fehlender Wirksamkeit oder Verlust der Wirksamkeit die Studie vorzeitig beendeten; Patienten, die aus anderen Gründen als einem unerwünschten Ereignis (UE), Tod, fehlender Wirksamkeit oder Verlust der Wirksamkeit die Studie beendeten und zum Zeitpunkt des Abbruchs eine Viruslast von ≥50 Kopien/ml aufwiesen.
d Einschliesslich Patienten, die aufgrund von UE oder Tod zu einem Zeitpunkt ab Tag 1 bis zum Ende des Zeitintervalls die Studie beendeten, wenn dies zu keinen virologischen Daten während der Behandlung innerhalb des spezifizierten Zeitintervalls führte.
e Einschliesslich Patienten, die aus anderen Gründen als einem UE, Tod, fehlender Wirksamkeit oder Verlust der Wirksamkeit die Studie beendeten, z.B. Einwilligung zurückgezogen, Loss to Follow-Up usw.
TABELLE 6: Virologische Ergebnisse (HIV-1-RNA < 50 Kopien/ml) nach Baseline-Kovariaten in den Wochen 26a und 52b mit Sunlenca plus OBR in der CAPELLA-Studie (Kohorte 1)
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[Sunlenca] plus OBR (n = 36)
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Woche 26
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Woche 52
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Plasmaviruslast zu Studienbeginn (Kopien/ml)
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≤100'000
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86% (25/29)
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86% (25/29)
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> 100'000
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57% (4/7)
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71% (5/7)
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CD4+-Wert zu Studienbeginn (Zellen/mm3)
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< 200
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78% (21/27)
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78% (21/27)
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≥200
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89% (8/9)
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100% (9/9)
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INSTI-Resistenzprofil zu Studienbeginn
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Mit INSTI-Resistenz
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85% (23/27)
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81% (22/27)
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Ohne INSTI-Resistenz
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63% (5/8)
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88% (7/8)
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Anzahl der voll wirksamen ARV-Wirkstoffe in der OBR
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0
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67% (4/6)
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67% (4/6)
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1
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86% (12/14)
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79% (11/14)
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≥2
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81% (13/16)
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94% (15/16)
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Einsatz von DTG und/oder DRV in der OBR
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Mit DTG und DRV
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83% (10/12)
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83% (10/12)
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Mit DTG, ohne DRV
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83% (5/6)
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83% (5/6)
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Ohne DTG, mit DRV
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78% (7/9)
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89% (8/9)
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Ohne DTG oder DRV
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78% (7/9)
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78% (7/9)
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ARV = antiretroviral; DRV = Darunavir; DTG = Dolutegravir; INSTI = Integrase-Strang-Transfer-Inhibitor; OBR = optimierte Hintergrundtherapie
a Das Zeitintervall für Woche 26 lag zwischen den Tagen 184 und 232 (einschliesslich).
b Das Zeitintervall für Woche 52 lag zwischen den Tagen 324 und 414 (einschliesslich).
In Kohorte 1 betrug die mediane Veränderung der CD4+-Zellzahl in den Wochen 26 und 52 im Vergleich zum Studienbeginn 72 Zellen/mm3 (Bereich: -101 bis 522) bzw. 68 Zellen/mm3 (Bereich:
-194 bis 467).
In Kohorte 2 erreichten in Woche 26 81% der Patienten (29/36) eine HIV-1-RNA < 50 Kopien/ml, und die mediane Veränderung der CD4+-Zellzahl im Vergleich zum Studienbeginn betrug 88 Zellen/mm3 (Bereich: -103 bis 459).
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