PharmakokinetikAbsorption
Nach oraler Verabreichung werden Lamivudin und Zidovudin rasch und gut aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Die absolute Bioverfügbarkeit von Lamivudin liegt beim Erwachsenen normalerweise zwischen 80 und 85% und die von Zidovudin zwischen 60 und 70%. In einer Bioäquivalenzstudie wurde Combivir mit der Gabe von 3TC 150 mg und Retrovir AZT 300 mg Tabletten bei gemeinsamer Einnahme verglichen. Die Auswirkung von Nahrungsmitteln auf die Rate und das Ausmass der Resorption wurde ebenfalls untersucht. Combivir erwies sich nach Nüchternverabreichung als bioäquivalent zu den Einzelpräparaten. Nach einer Nüchtern-Verabreichung von Combivir betrugen die Cmax-Werte (95% Vertrauensintervall) für Lamivudin 1,5 (1,3-1,8) µg/ml und für Zidovudin 1,8 (1,5-2,2) µg/ml. Die mittleren tmax-Werte (Bereich) für Lamivudin und Zidovudin lagen bei 0,75 (0,50-2,00) resp. 0,50 (0,25-2,00) Stunden.
Das Ausmass der Resorption (AUC) von Lamivudin und Zidovudin und die geschätzte Halbwertszeit waren bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme im Vergleich zur Nüchternverabreichung ungefähr gleich, obwohl eine Verzögerung von tmax und eine Verringerung von Cmax beobachtet werden konnten. Die Einnahme von Combivir kann demnach nüchtern oder mit/nach dem Essen erfolgen.
Bei Gabe zerkleinerter Tabletten mit einer geringen Menge an halbfester Nahrung oder mit Flüssigkeit wird kein Einfluss auf die pharmazeutische Qualität erwartet, daher ist eine Änderung der klinischen Wirkung auch nicht zu erwarten. Diese Schlussfolgerung basiert auf den physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs und dem in-vitro Dissolutionsverhalten von Lamivudin-Zidovudin Tabletten in Wasser und unter der Annahme, dass der Patient die zerkleinerten Tabletten zu 100% und umgehend einnimmt.
Distribution
Aus Studien, in denen Lamivudin und Zidovudin intravenös verabreicht wurden, ist bekannt, dass das mittlere scheinbare Verteilungsvolumen 1,3 l/kg resp. 1,6 l/kg beträgt.
Lamivudin besitzt ein lineares pharmakokinetisches Verhalten über die therapeutische Dosierungsbreite und eine begrenzte Bindung (16-36%, in vitro) an das Hauptplasmaprotein Albumin. Die Plasmaproteinbindung von Zidovudin beträgt 34-38%.
Lamivudin und Zidovudin sind liquorgängig.
Der mittlere Quotient der Lamivudin- resp. Zidovudin-Konzentration zwischen Zerebrospinalflüssigkeit und Serum betrug 2-4 Stunden nach oraler Verabreichung 0,06 (0,04-0,08) bzw. 0,5 (0,15-1,35). Das exakte Ausmass des Übergangs von Lamivudin in die Zerebrospinalflüssigkeit oder dessen Korrelation mit einer klinischen Wirkung ist nicht bekannt.
Metabolismus
Die Metabolisierung spielt bei der Elimination von Lamivudin eine untergeordnete Rolle (5-10%). Lamivudin wird hauptsächlich in unveränderter Form renal ausgeschieden.
Der Hauptmetabolit von Zidovudin sowohl im Plasma als auch im Urin ist das 5'-Glucuronid. 50-80% der verabreichten Dosis werden als Glukuronid über die Nieren ausgeschieden. Nach intravenöser Verabreichung von Zidovudin konnte ein weiterer Metabolit identifiziert werden, nämlich 3'-Amino-3'-Desoxythymidin (AMT).
Elimination
Die beobachtete Eliminationshalbwertszeit von Lamivudin beträgt 18-19 Stunden. Die mittlere systemische Clearance von Lamivudin beträgt ca. 0,32 l/h/kg, wobei die renale Clearance über das Transportsystem für organische Kationen stark überwiegt (>70%).
Die mittlere terminale Eliminationshalbwertszeit von Zidovudin nach intravenöser Gabe beträgt 1,1 Stunden und die mittlere systemische Clearance 1,6 l/h/kg. Die renale Clearance von Zidovudin wird auf 0,34 l/h/kg geschätzt, was auf eine glomeruläre Filtration und eine aktive tubuläre Sekretion hindeutet.
Kinetik spezieller Patientengruppen
Nierenfunktionsstörungen
Studien bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion haben gezeigt, dass die Elimination von Lamivudin bei Nierenfunktionsstörungen aufgrund einer verringerten renalen Clearance beeinträchtigt ist. Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 49 ml/min, kann die Lamivudin-Exposition (AUC) 1,6- bis 3,3-fach höher sein als bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von ≥50 ml/min (siehe «Dosierung bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen», siehe «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen»). Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min ist eine Dosisreduktion erforderlich. Bei Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung sind auch die Zidovudinspiegel um etwa 50% erhöht.
Da bei diesen Patienten eine Dosisanpassung notwendig sein kann, wird bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance ≤30 ml/min) die Anwendung der Monopräparate (3TC resp. Retrovir AZT) empfohlen.
Leberfunktionsstörungen
Erfahrungen bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Leberinsuffizienz zeigen, dass die Pharmakokinetik von Lamivudin durch die eingeschränkte Leberfunktion nicht signifikant verändert wird.
Begrenzte Daten bei Patienten mit Leberzirrhose deuten darauf hin, dass Zidovudin bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen infolge einer verringerten Glucuronidierung akkumuliert. Eine Dosisreduktion des Zidovudin kann bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz nötig sein.
Ältere Patienten
Es liegen keine Daten zur Pharmakokinetik von Lamivudin und Zidovudin bei Patienten über 65 Jahren vor.
Kinder
Bei Kindern über 5-6 Monaten gleicht das pharmakokinetische Profil von Zidovudin dem von Erwachsenen. Zidovudin wird aus dem Gastrointestinaltrakt gut resorbiert. Bei allen untersuchten Dosierungen lag die Bioverfügbarkeit zwischen 60 und 74%; der Durchschnittswert betrug 65%. Nach Verabreichung von Zidovudin (Lösung) in einer Dosis von 120 mg/m2 KO bzw. 180 mg/m2 KO wurden maximale Plasmakonzentrationen (Cssmax) von 4.45 µmol/l (1.19 µg/ml), bzw. 7.7 µmol/l (2.06 µg/ml) ermittelt. Dosierungen bei Kindern von 180 mg/m2 4× täglich resultierten in einer ähnlichen systemischen Exposition (24 Stunden AUC 40.0 h µmol/l oder 10.7 h µg/ml) wie Dosierungen bei Erwachsenen von 200 mg 6× täglich (40.7 h µmol/l oder 10.9 h µg/ml).
Bei sechs HIV-infizierten Kindern zwischen 2 und 13 Jahren wurde die Pharmakokinetik von Zidovudin im Plasma in Dosierungen von 120 mg/m2 3× täglich und 180 mg/m2 2× täglich verglichen. Die systemische Exposition (24 Stunden AUC and Cmax) im Plasma während zweimal täglicher Verabreichung war in ähnlicher Grössenordnung wie während der dreimal täglichen Verabreichung derselben Gesamttagesdosis.
Im Allgemeinen ist die Pharmakokinetik von Lamivudin bei Kindern ähnlich wie bei Erwachsenen. Die absolute Bioverfügbarkeit (ca. 55-65%) ist bei Kindern unter 12 Jahren jedoch vermindert. Zusätzlich sind die Werte der systemischen Clearance bei jüngeren Kindern erhöht, diese fallen bis zu einem Alter von ca. 12 Jahren auf die Werte von Erwachsenen ab. Aufgrund dieser Unterschiede beträgt die empfohlene Dosierung von Lamivudin für Kinder zwischen 3 Monaten und 12 Jahren (ca. 6 kg bis 40 kg) 8 mg/kg/Tag. Diese Dosierung resultiert in einer durchschnittlichen AUC0-12 zwischen 3'800 h und 5'300 h Nanogramm/ml. Neuere Resultate weisen darauf hin, dass die Exposition bei Kindern von 2 bis 6 Jahren im Vergleich zu anderen Altersgruppen um ca. 30% reduziert sein können. Weitere Daten zu dieser Schlussfolgerung werden erwartet. Momentan weisen die vorhandenen Daten nicht darauf hin, dass Lamivudin in dieser Altersgruppe weniger wirksam ist.
Schwangerschaft
Die Pharmakokinetik von Lamivudin und Zidovudin bei Schwangeren ist mit der bei nicht schwangeren Erwachsenen vergleichbar. Bei Menschen war die Lamivudin-Konzentration im kindlichen Serum bei der Geburt ähnlich wie die im mütterlichen Serum und im Nabelschnur-Serum zum Zeitpunkt der Entbindung, was auf eine passive transplazentare Passage des Lamivudin hinweist.
Die Zidovudin-Konzentrationen, welche im Plasma gemessen wurden, zeigten mit Lamivudin vergleichbare Resultate.
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